Heinrich Lersch
Der Arbeiterdichter Heinrich Lersch (* 12. September 1889, † 18. Juni 1936) verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Bad Bodendorf, seine Söhne gingen in Ahrweiler zur Schule und einige Nachfahren leb(t)en im Kreis Ahrweiler.
Vita
In der Kesselschmiede
Heinrich Lersch war am 12. September 1889 als ältester Sohn von sieben Kindern in München-Gladbach (heute Mönchengladbach) in der Rheinprovinz geboren worden. Schon sein Vater übte den Beruf des Kessel-, sein Großvater den Beruf des Hufschmieds aus. Bereits als Kind musste Heinrich Lersch in der väterlichen Werkstatt mit anpacken: den Blasebalg für das Schmiedefeuer ziehen, damit Eisen und Nieten glühend gemacht werden konnten, mit einer großen Zange glühende eiserne Stäbe über den Amboss halten, auf die dann die Gesellen mit großen Schmiedehämmern einschlugen, glühende Nieten mit den großen Zangen in die vorgeborten Löcher stecken, damit die Kesselschmiede mit ohrenbetäubendem Lärm im Dreiertakt darauf einhämmern konnten, sowie die Bohnmaschine bedienen. Später arbeitete Heinrich Lersch als Geselle in der Kesselschmiede seines Vaters. In der wenigen Freitzeit, die er hatte, las er bis spät in die Nacht, was immer ihm in die Hände fiel, er traf sich mit Freunden, besuchte mit ihnen Volksbildungsabende und Vorträge, Konzerte und Museen.
Dann ging Lersch für ein knappes Jahr auf Wanderschaft, "auf die Walze", wie man es nannte. Er arbeitete in großen Kesselfabriken in Mannheim, Duisburg und Dortmund; in Hamburg und Antwerpen verdingte er sich im Schiffbau, im österreichischen Linz und in Wien als Nieter. Zurück in Gladbach, arbeitete Lersch wieder in der elterlichen Kesselschmiede. Die Arbeit der Kesselschmiede bestand zu Beginn der 1920er Jahre aus der Herstellung von Apparaten, Dampfkesseln und anderen Behältern, die, weil es die Elektro-Schweißung noch nicht gab, genietet werden mussten. Um Eisenplatten miteinander zu verbinden, wurden an ihren Rändern in Abständen von einigen Zentimetern Löcher gebohrt; die Löcher benachbarter Platten mussten dabei genau übereinander passen. Dann wurden in diese Löcher, Rundkopf nach unten, Nieten gesteckt, die zuvor im Schmiedefeuer zum Glühen gebracht worden waren. Drei Arbeiter schlugen mit Vorschlaghämmern so lange auf die Nieten, bis sich auch oben ein breiter Kopf gebildet hatte. Wenn die Nieten abkühlten, zogen sich die Eisenplatten zusammen und wurden dicht. Das Ganze ging mit einem ohrenbetäubenden Lärm vor sich. Als Presslufthämmer später das Hämmern von Hand ersetzten, wurde der Lärm noch größer. Ohrenschützer und Schutzbrillen gab es zu dieser Zeit noch nicht. Dadurch erlitten die meisten Kesselschmiede Gehörschäden; viele wurden von umherfliegenden Eisensplittern an den Augen verletzt und trugen dauerhafte Sehschäden davon.
Da Heinrich Lersch klein und hager war, wurde er besonders häufig für Reparatur und Reinigung von Dampfkesseln herangezogen. In den Textilfabriken, von denen es in Gladbach und im benachbarten Rheydt damals etliche gab, wurden Webstühle und Spindeln von Dampfmaschinen angetrieben, die ihren Druck aus Dampfkesseln bekamen. In diesen Kesseln setzte sich Kesselstein und in den Flammrohren Schlacke ab, die regelmäßig entfernt werden mussten. Damit die Maschinen nicht lange stillstanden, wurde an Feiertagen gereinigt – an Weihnachten, Silvester, Neujahr und Ostern. Dazu krochen die Arbeiter, wenn die Anderen feierten, in die zwar abgeschalteten, aber noch nicht ganz abgekühlten engen Kessel und Flammrohre. Mit scharfkantigen Hämmern schlugen sie dort, meist auf dem Rücken liegend, Kesselstein und Schlacke ab.
Soldatenabschied
Neben dieser harten Arbeit schrieb Lersch etwa 1912 seine ersten Gedichte – meist nachts. Die Verse handelten vor allem von der harten Arbeit in den Fabrikhallen, aber auch von der Natur und der Liebe. Dank der Vermittlung eines katholischen Geistlichen sind Lerschs Gedichte erstmals gedruckt worden. Dadurch ist der junge Autor erstmals einem großeren Kreis Literaturinteressierter nicht nur in seiner Vaterstadt, sondern auch in Areitervereinen und Gewerkschaften im deutschsprachigen Raum bekannt geworden. 1913 gab es in der Kaiser-Wilhelm-Halle in Gladbach die erste Dichterlesung mit Heinrich Lersch; im gleichen Jahr erschien beim Verlag des Volksvereins Lerschs erster Gedichtband 'Abglanz des Lebens'. Neben dem Schreiben engagierte sich Heinrich Lersch in der Arbeiterbewegung. Allerdings war er den christlichen Gewerkschaften zu rot und den sozialistischen zu katholisch; so saß er bei seinen Kollegen rasch zwischen zwei Stühlen.
Als im Jahr 1914 der 1. Weltkrieg begann, meldete sich Heinrich Lersch freiwillig als Soldat. In der Nacht vor dem Mobilmachungstag feierten die Rekruten, die eingezogen wurden, und ihre Familen in der St. Josef-Kirche im Gladbacher Stadtteil Hermges eine Messe, die auch Heinrich Lersch und seine Mutter besuchten. Dort schrieb der junge Dichter den "Soldatenabschied", das Gedicht, das ihn in Deutschland mit einem Schlag bekannt und berühmt machen sollte. Weil er sonst kein Papier bei sich hatte, notierte Lersch die Verse auf die leeren Seiten des Gebetbuchs seiner Mutter. Das Gedicht beginnt mit der Zeile "Laß mich gehen Mutter, laß mich gehen ...". Die fünf Strophen enden jeweils mit dem Satz "Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!". Nach zwei Weltkriegen mit Millionen von Opfern klingt dieses Pathos heute hohl und chauvinistisch; damals jedoch traf es genau die Stimmung der gesamten Bevölkerung. Und in den 1920er und 1930er Jahren sollten diese Zeilen in unzählige Kriegerdenkmale gemeißelt werden.
Lersch, an der Front in Frankreich eingesetzt, wurde in der Champagne-Schlacht verschüttet, konnte aber gerettet werden. Das Lungenleiden, das er sich zugezogen hatte, wurde anschließend lange Zeit in Lazaretten in Hadamar und Köln behandelt, bevor Lersch 1916 kriegsuntauglich aus der Armee ausschied. Schwere körperliche Arbeit konnte er danach nicht mehr leisten; aber er schrieb viel. Deshalb konnte er seinem Vater und den Brüdern, nachdem im Frühjahr 1917 die aus Holz gebaute alte Kesselbude seines Vaters abgebrannt war, vom Erlös des Kleist-Preises, mit dem er 1916 - gemeinsam mit Agnes Miegel ,sein Vertrauensmann ist Karl Strecker - ausgezeichnet worden war, eine neue Werkstatt kaufen. Dann übernimmt Lersch die Kesselschmiede seines Vaters.
Heirat
Nach Kriegsende 1918 heiratete Lersch. Seine Schwiegermutter, Paula Köchlin (geb. Busch), eine wohlhabende Fabrikantentochter, führte in ihrer Villa einen so genannten Salon: Die kulturell sehr interessierte Dame lud Künstler und Intellektuelle in die Villa ein - darunter den jungen Dichter Heinrich Lersch, den sie sehr schätzte. Dass der Arbeiter bald eine ihrer Töchter heiratete, war allerdings nicht vorgesehen. Die elterliche Einwilligung in diese Heirat mit der nicht einmal 21-jährigen Erika musste sich Heinrich Lersch schwer erkämpfen. Immerhin erhielt sie als Mitgift und vorweggenommenes Erbe ein Haus mit Garten. Dort kommen die Kinder Gerrit (1919), Edgar (1921) und Leni (1930) zur Welt. Aufgrund des bereits 1907 diagnostizierten Lungenleidens muss Lersch die Kesselschmiede 1924 aufgeben. Heinrich Lersch konnte nun schreiben, wurde bekannt, gehörte zum Kreis der "Werkleute auf Haus Nyland", einer Gruppe von Dichtern, und freundete sich mit anderen Künstlern an, unter anderem mit Literaten aus dem Arbeitermilieu. Einer von ihnen war Max Barthel, der später auf den Belzenberg nach Bad Breisig zog. In dieser Zeit schrieb Lersch Gedichte für die "Wiener Arbeiterzeitung", hielt Kontakt zu Alfons Petzold, außerdem war er mit Joseph Winkler und Jokaob Kneip freundschaftlich verbunden.
Seiner schlechten Gesundheit wegen riet man Lersch zu einem längeren Aufenthalt im Süden. So hält er sich, in der Hoffnung, sein Lungenleiden dort auszukurieren und unter immer unter bescheidenen finanziellen Verhältnissen 1926 in Davos, 1926 bis 1928 und 1931 auf Capri sowie 1931 in Griechenland auf. Das Haus in Neuwerk wurde für diese Zeit vermietet. Auf Capri entstand u.a. das humorvolle und nach wie vor lesenwerte Buch ‚Manni. Geschichten von meinem Jungen, aufgeschrieben vom Vater‘, das viel über das Leben der Familie Lersch in Gladbach und auf Capri widergibt.
Der Nachtwächter von Bodendorf
Als die Familie im April 1932 nach Deutschland zurück kehrte, zog sie nicht nach Gladbach, sondern nach Bodendorf; Heinrich Lersch wollte nämlich in der Nähe seines Freundes Matthias Leisen sein, der als Magnetopath in der Burg Bodendorf praktizierte. Von ihm erhoffte er sich Linderung oder gar Heilung seiner Asthma- und Magenbeschwerden. Leisen benutzte für seine Untersuchungen und um homöopathische Medikamente auszuwählen Wünschelruten aus verschiedenen Hölzern und anderen Materialien. Diese Methode faszinierte Lersch derart, dass er einen Roman über den Therapeuten mit dem Titel 'Die Ruten Gottes' schreiben wollte. Über ein Fragment kommt dieses Projekt aber nicht hinaus.
Zunächst bezieht die fünfköpfige Familie eine kleine Mansardenwohnung mit drei Zimmern im Hause Haas (heute Moselstraße 57). Ein Wohnzimmer gibt es dort nicht; das Familienleben spielt sich in der kleinen Wohnküche ab. Heinrich Lerschs Schreibtisch steht, damit er ungestört arbeiten kann, im Eltern-Schlafzimmer. Dank der günstigen Bahnverbindung besuchen die beiden Söhne das Gymnasium in Ahrweiler. "Hein" Lersch, wie er von seinen Freunden in Bodendorf genannt wird, lernt rasch das Tanzen und das Weintrinken. Der Städter begeistert sich für Kirmes, Karneval und Schützenfest. Und bei Hochzeiten, Ehejubiläen und Namenstagen trägt er Festgedichte vor. Mit einer Büttenrede "Der Nachtwächter von Bodendorf" verblüfft Lersch sein Publikum mit Kenntnissen über Stärken und Schwächen der Dorfbewohner.
Im Jahr darauf kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Mit einem Male sah Lersch erfüllt, wofür er bislang gekämpft, geschrieben und gedichtet hatte: Der Arbeiter war nun wer. Besonders imponierte ihm die Organisation "Kraft durch Freude" (KDF); Denn sie machte es möglich, dass auch einfache Arbeiter reisen und Urlaub machen konnten. Lerschs Gedichte von der Arbeit, aber auch seine Gedichte aus dem Ersten Weltkrieg wurden von den Nationalsozialisten mit Freuden übernommen. Von Bodendorf aus fährt Lersch immer wieder per Bahn zu Vorlesungsreisen ins gesamte Deutsche Reich. 1935 folgte Lersch einer Einladung, auf einem KDF-Schiff nach Portugal und weiter bis nach Madeira mit zu fahren und die Gäste mit Lesungen aus seinen Werken zu unterhalten. Der Dichter aus Bodendorf wurde aber auch eingeladen, in Betrieben vor Arbeitern zu sprechen und ihnen seine Gedichte vorzutragen. Am 1. Mai, dem "Tag der Arbeit", las er auf einer Großkundgebung vor mehreren hunderttausend Arbeitern auf dem Tempelhofer Feld in Berlin einige seiner Gedichte vor. Lersch-Texte wurden in Schulbüchern gedruckt, und er war stolz darauf, in Schulen und vor der Hitler-Jugend sprechen zu dürfen. Schließlich wurde Lersch ehrenvoll als Mitglied in die Deutsche Dichterakademie berufen.
Heinrich Lersch "merkte in seinem Überschwang wohl nicht, was der Nationalsozialismus wirklich war und was die Nationalsozialisten letztlich wollten", sagte sein Sohn Edgar Lersch im Jahr 2004 bei einem Vortrag über seinen Vater. Der Arbeiterdichter "beging sogar die Dummheit, ich muss das bei allem Respekt vor meinem Vater sagen, Gedichte aus den 20er Jahren umzuschreiben", so Edgar Lersch: "Wir sind die Soldaten der neuen Armee, die hämmernden Brüder der Welt ...", hieß es beispielsweise in einem hoffnungsfrohen Gedicht über die Aufbruchstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, das Lersch nun umformulierte: "Wir sind die Soldaten der braunen Armee, die Kolonnen der eisernen Zeit ..." Und vor den Gedichtband "Mit brüderlicher Stimme", für den er den 1935 in Düsseldorf mit dem "Rheinischen Literaturpreis" ausgezeichnet worden war, schrieb er die Widmung: "Im Sinne des Führers: Der Gefolgschaft". Heinrich Lersch tritt dem "Deutschen Jungvolk" bei, einer Unterorganisation der Hitler-Jugend, in der seine beiden Söhne Stamm- und Fähnleinführer sind, und wird "Ehren-Jungzugführer".
Nachdem sich die finanziellen Verhältnisse gebessert haben, zieht die Familie in der zweiten Jahreshälfte 1933 in eine Vier-Zimmer-Wohnung in das Haus A. Clever (heute Hauptstraße 17) um; der Neubau ist damals das erste Haus, wenn man aus Richtung Sinzig nach Bodendorf kommt. Aber Lersch träumt weiter von einer eigenen Dichterklause. Im Mai 1934 wird dieser Traum Wirklichkeit. Sechs Wochen lang baut er an diesem Häuschen am Hohlbrünnchen oberhalb der erst viel später gebauten Schützenhalle, unterstützt wird er von einem Zimmermann und einem Maurer. Zum Schluss streicht Lersch sein einzimmeriges Häuschen bunt an und legte davor einen kleinen Blumengarten an. So entsteht "das schönste Gartenhäuschen, das je ein Dichter besessen hat", schreibt er damals in einem Brief, "nur das liebe Vieh kommt hierher", heißt es darin weiter, "Rehbock und Fasan, Hase und Häher" und "Rheintal und Westerwald liegen im blauen Dunst. Sinzig leuchtet von ferne."
Rasch lernt "Hein", wie er von seinen Freunden genannt wird, in Bodendorf Tanzen und Weintrinken, der Städter begeistert sich für die Kirmes, für Karneval und Schützenfest. Bei Hochzeiten, Ehejubiläen und Namenstagen trägt er Festgedichte vor. Mit einer Büttenrede "Der Nachtwächter von Bodendorf" verblüfft er sein Publikum mit Kenntnissen über Stärken und Schwächen der Dorfbewohner. Im Mai 1935 erhält er den Rheinischen Literaturpreis.
Zu dieser Zeit kommt Lersch aber kaum noch zum Arbeiten an Büchern oder Gedichten. In Bodendorf arbeitet er zwar an mehreren Romanen, die aber zum Teil nur im Entwurf und als Fragmente im Nachlass erhalten sind – so 'Siegfried', eine expressionistische, schwer verständliche Erzählung aus dem Leben eines Arbeiters, so 'Die Kesselschmiede', ein Roman, an dem er über viele Jahre hinweg immer wieder arbeitet, der aber nie fertig wird, und an einem Hörspiel mit dem Titel 'Der Brückenbau', in dem Lersch ausdrücken will, wie unglaublich stolz die Arbeiter waren, als ihr Werk, die Brücke über den Rhein, endlich steht. Im Hörstudio des damaligen "Reichssenders Köln" (heute WDR) fertigte man zwar einige Sprech- und Geräuschproben an, aber das Hörspiel wurde nie fertig.
Tod und Beisetzung
Anfang Juni 1936 fährt Heinrich Lersch mit dem Fahrrad von Bodendorf in Richtung Heppingen; dabei kommt ihm ein Auto auf der falschen Straßenseite entgegen. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, steuert Lersch in den Straßengraben. Dabei fällt er aber mit der Brust unglücklich auf den Lenker und verletzt sich schwer. Sein Körper, durch die lange und schwere Lungenkrankheit ausgezehrt, hat keine Widerstandskraft mehr: Als er in den Tagen darauf an einer Lungen- und Rippenfellentzündung erkrankt, wird er ins Remagener Krankenhaus eingeliefert. Dort stirbt er, 46 Jahre alt, am 18. Juni 1936 um 0.30 Uhr.
NS-Funktionäre bis hinauf zum Koblenzer Gauleiter Gustav Simon nehmen Lerschs Tod zum Anlass für eine Inszenierung: Der Dichter hatte einmal den Wunsch geäußert, nach seinem Tod in Gladbach beerdigt zu werden; bevor man den Leichnam dorthin überführt, wird er aber auf der Kemminghöhe nördlich der Remagener Rheinpromenade aufgebahrt. Aufmärsche, gedämpfte Musik, gesenkte Fahnen und große Reden gibt es dort. Danach wird der Leichnam nach Gladbach überführt. In der Kesselschmiede bahrt man den Verstorbenen auf; ehemalige Arbeitkameraden halten Totenwache. Auf dem Ehrenfeld des Mönchengladbacher Stadtfriedhofs wird Lersch schließlich beigesetzt. 120.000 Trauergäste wohnen der Beerdigung bei.
Aber es gibt NSDAP-Mitglieder, die sich weigern, an diesem Begräbnis teilzunehmen: Sie hätten den Dichter "einst hinter einer roten Fahne gesehen", behaupten sie. In der offiziellen Berichterstattung verschweigen die Nazis auch, dass Lersch mit den Sterbesakramenten beigesetzt wurde und dass sein Totenzettel "zur christlichen Erneuerung" aufruft. Und auf einer Aussstellung, die Lersch Jahre später, bei einem Dichtertreffen am 24. Und 25. Juni 1939 in Bad Neuenahr, gewidmet wird, lassen die Nazis ein Foto entfernen, das den verstorbenen Dichter mit einem Kruzifix in den gefalteten Händen zeigt.
Andenken
Nach seinem Tod ließen die Nazis Lerschs Texte weiter drucken; denn seine Gedichte von der Arbeit und die heroischen Verse aus dem Ersten Weltkrieg passten in die nationalsozialistische Ideologie und in die Pläne der Nazis, die Lersch als einen der Ihren ansahen.
Lerschs einstiges Dichterdomizil in Bodendorf ist später von spielenden Jugendlichen und frierenden Bodendorfern demontiert worden. Dann schweigt man in Bad Bodendorf Jahrzehnte lang über den toten Dichter. Erst Anfang der 70er Jahre wird der Gedenkstein mit der Aufschrift "Hier arbeitete der Dichter Heinrich Lersch, gestorben 1936. Errichtet von der HJ 1939." freigelegt. Am 17. Juni 1939 war er in einer Feierstunde an der Stätte von Lerschs Wirken aufgestellt worden. Gleich nebenan wird die heute noch stehende Schutzhütte gebaut.
In Mönchengladbach, seiner Geburtsstadt, wird die Erinnerung an Lersch auch heute noch wach gehalten. Das Stadtarchiv verfügt über ein Heinrich-Lersch-Archiv, das Handschriften, Manuskripte und Typoskripte, Fotos, Zeitungsausschnitte sowie einen Abguss von Lerschs Totenmaske umfasst. In Veröffentlichungen wird des Sohnes der Stadt gedacht. An einem Steig des Mönchengladbacher Busbahnhofs, an dem große Bilder von bekannten Gladbachern aufgehängt wurden, ist auch Heinrich Lersch zu sehen. Und der hochbetagt in Mönchengladbach lebende Edgar Lersch, einer der beiden Söhne Heinrich Lerschs, wird noch heute häufig nach seinem Vater gefragt, wenn er seinen Nachnamen nennt. Kürzlich erst referierte Edgar Lersch auf Einladung der Volkshochschule Mönchengladbach, der Hochschule Niederrhein sowie der Literarischen Gesellschaft Krefeld über seinen Vater. In Lerschs Geburtsstadt wurden eine Straße und eine Hauptschule nach dem Literaten benannt. Aber auch andere deutsche Städte halten die in Erinnerung an ihn wach: Essen, die Kölner Stadtteile Junkersdorf und Merheim, Münster, Duisburg und Herne, ferner Bochum, Bottrop und Oberhausen, Unna, Herten, Moers und Kamp-Lintfort am Niederrhein widmeten Lersch ebenso Straßen und Wege wie das sauerländische Menden und Ibbenbüren am Zusammenfluss des Dormund-Ems- und des Mittellandkanals sowie die rheinland-pfälzische Industriestadt Ludwigshafen. In Speyer gibt es an prominenter Stelle, zwischen Dom und Innenstadt, einen Heinrich-Lersch-Brunnen. An die 50 Heinrich-Lersch-Straßen und –wege dürfte es in Deutschland insgesamt geben.
Damit Lerschs Andenken auch in dem Ort gewahrt bleibt, in dem er seine letzten Lebensjahre verbrachte, wurde ein Weg in dem neuen Baugebiet zwischen Bäderstraße, Josef-Hardt-Allee und dem damals noch stehenden Haus Elisabeth in Bad Bodendorf nach ihm benannt. Man hat sich nicht leicht getan mit dieser Widmung; denn Lerschs Person und Werk sind nicht unumstritten. Trotzdem will sich der Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf demnächst der verwahrlosten Lersch-Gedenkstätte annehmen, die an einer kleinen Quelle oberhalb der Bad Bodendorfer Schützenhalle zwischen Wiesen, Feldern und Wald liegt. Sie war am 17. Juni 1939 von der Hitler-Jugend dort angelegt worden, wo sich Lersch einst einen lang gehegten Traum erfüllte, indem er sich eine Dichterklause baute.
Dass Alt- und Neu-Bodendorfer durchaus interessiert sind, etwas über "ihren" Dichter zu erfahren und sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen, bewies ein Heinrich-Lersch-Abend, zu dem der Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf e.V. 1994 in den ehemaligen Weinkeller der Gaststätte "Winzerverein" eingeladen hatte. An gleicher Stelle verbrachte Lersch Jahrzehnte zuvor so manchen gemütlichen Abend und trank dabei wohl auch den einen oder anderen Schoppen Wein aus Bodendorfer Lagen. Zu den Gästen dieses Abends zählten die beiden Söhne Heinrich Lerschs, Gerhard Lersch ("Manni") (geb. 1919) und Edgar Lersch (geb. 1921), der den Nachlass seines Vaters verwaltete und der eine Menge Dokumente mitgebracht hatte. Die beiden Söhne berichteten von den Capri-Reisen der Familie Lersch, die in ihren Kindertagen durch Literaturpreise und die Großzügigkeit der Verleger möglich geworden waren. Lesungen gab es an diesem Abend in der Winzergaststätte Bad Bodendorf, Ton- und Bilddokumente wurden gezeigt - unter anderem ein Fernsehbeitrag, den der WDR zum 100. Geburtstag des Dichters fünf Jahre zuvor gedreht hatte.
Familie
Kinder:
Enkel:
- Gregor Lersch (Star-Florist, Sohn von Gerhard Lersch)
- Martin Lersch (Sohn von Edgar Lersch)
- Marianne Lersch (Nichte)
Nachlass
Das Stadtarchiv Mönchengladbach verfügt über ein Heinrich-Lersch-Archiv, das Handschriften, Manuskripte und Typoskripte, Fotos, Zeitungsausschnitte sowie einen Abguss der Totenmaske von Heinrich Lersch umfasst. Ein kleiner Teil des Nachlasses befindet sich im Archiv des Fritz Hüser-Instituts für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur in Dortmund. Alle Erstausgaben sowie einige persönliche Gegenstände sind im Familienbesitz. Insbesondere Sohn Edgar Lersch hat einiges.
Siehe auch
- Heinrich-Lersch-Weg (Bad Bodendorf)
- Max Barthel (Freund Heinrich Lerschs)
Bibliografie
- In den Jahren 1936 bis 1940 sind im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler einige Texte von Heinrich Lersch erschienen.[1]
Primärliteratur
- Mensch im Eisen – Gesänge von Volk und Werk, 205 Seiten, 17*24,5 cm, Hardcover, gebunden, Berlin und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1925
- Hammerschläge – Ein Roman von Menschen und Maschinen, 261 Seiten, 14*20 cm, Berlin: Verlagshaus Bong & Co. 1930 („... ein werklustdurchbraustes, fünffachgekuppeltes tatlustdurchbraustes Mensch-Maschinen-Werk.“), Nachdruck und mit einem Nachwort von Martin Walser (1980)
- Klinge hinaus, schlagender Schall
- Die Pioniere von Eilenburg. Roman aus der Frühzeit der deutschen Arbeiterbewegung (über die Gründung dieser Selbsthilfe-Organisation durch sächsische Arbeiter im 19. Jahrhundert)
- Deutschland! Lieder und Gesänge von Volk und Vaterland
- Stern und Amboß. Gedichte und Gesänge (1927)
- Mit brüderlicher Stimme
- Zwischen Niederrhein und Akropolis, 322 S., Deutsche Hausbücherei Hamburg 1940 („Lersch beschrieb ... die Härte des Arbeiterdaseins, wandte sich aber auch politischen Themen zu. In einigen Gedichten verherrlichte er den Nationalsozialismus. Er hielt Vorträge vor der Hitlerjugend und anderen Organisationen. Zur Kampfparole wurde nach 1918 eine Zeile seines Gedichts Soldatenabschied (1914): "Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!" Dieser Satz findet sich auf zahlreichen Kriegerdenkmälern, etwa in Hamburg, aber auch als Leitspruch des Soldatenfriedhofes in Langemarck.“ - „Aus diesen Blättern wird deutlich werden, wie sehr Werk und Persönlichkeit bei H. Lersch eins waren. Unbedingte Wirklichkeit und ungehemmte dichterische Phantasie verschmolzen bei ihm zu einem schöpferischen Guß“)
- Mittelmeerreise (In diesem Band beschreibt Lersch die Zeit auf Capri und die Schiffsreise auf dem Rosinendampfer der Levantelinie. Inhalt: Die Heimat; Das Land der Griechen (eine Mittelmeerreise); Italienisches Panorama)
- Im Pulsschlag der Maschinen, Erstausgabe 1935, 110 Seiten, 3. Aufl. Berlin: Verlag Junge Generation, 12*18,5 cm (In diesem kleineren Band erzählt Lersch von der Arbeit in den Fabriken und Kesselschmieden.)
- Der grüßende Wald. Legenden und Geschichten
- Manni! Geschichten von meinem Jungen aufgeschrieben vom Vater, 130 Seiten, Stuttgart/Berlin: Deutsche Verlags-Anstalt 1926, 13*18,5 cm - 53 (kurze) Geschichten sowie 16 Illustrationen des Autors über seinen Sohn dokumentieren ein Kinderleben - ein Kinderbuch für Erwachsene, das Anekdoten und Begebenheiten in der Familie schildert, Lerschs erfolgreichstes Buch
- Herz! Aufglühe dein Blut! Gedichte im Kriege
- Abglanz des Lebens, 1913 (Lerschs erster Gedichtband)
- Mut und Übermut (In diesem Prosaband fasst Lersch Geschichten und Erlebnisse seiner Wanderungen zusammen.)
Sekundärliteratur
- Rolf Düsterberg (Hrsg.): Heinrich Lersch - der Arbeiterdichter, in: Dichter für das „Dritte Reich“, Bielefeld, Band 1, 2009, S. 133-158, ISBN 978-3-89528-719-0
- Jürgen Haffke: Heinrich Lersch, in: ders.: Die Gemeinde Bodendorf im 19. Und 20. Jahrhundert, in: Jürgen Haffke/Bernhard Koll (Hrsg.): Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute, Sinzig 1983, 785 S., S. 464 f.
- Jürgen Haffke: Heinrich Lersch – Ein deutscher Arbeiterdichter und Bodendorf, in: St. Sebastianus-Bruderschaft 1681 Bad Bodendorf e.V. (Hrsg.): 300 Jahre St. Sebastianus Bruderschaft 1681 e.V. Bad Bodendorf – Festbuch mit Beiträgen zur Heimatkunde von Bad Bodendorf, Düsseldorf 1981, 144 S., S. 73-86
- Die Gladbacher Bank hat den 2. Band ihrer Buchreihe „Zeugen Städtischer Vergangenheit“ Heinrich Lersch gewidmet
- Das Buch 'Mönchengladbacher Köpfe' (Band I) enthält Beitrag und Foto zu Heinrich Lersch.
- Walther Ottendorff-Simrock: 'Heinrich Lersch in Bad Bodendorf', in: Kreisverwaltung Ahrweiler (Hrsg.): 'Heimatjahrbuch für den Kreis Ahrweiler 1974', Ahrweiler 1974, S. 48
- Josef Kreutzberg: 'Hundertfach gelebtes Leben. Erinnerung an Heinrich Lersch zu seinem 25. Todestag', in: Kreisverwaltung Ahrweiler (Hrsg.): 'Heimatjahrbuch für den Kreis Ahrweiler 1961', Ahrweiler 1960, S. 47
- 'Kesselschmied und Dichter, 1889-1936', mit Beiträgen von Hanns Martin Elster, Anni Geiger-Hof, Max Barthel und einer Heinrich-Lersch-Bibliographie von Hedwig Bieber, Dortmund: Städtische Volksbüchereien 1959, 41 S.
- Ernst Wilhelm Balk: 'Heinrich Lersch. Künstler und Kämpfer', München: Deutscher Volksverlag 1939, 32 S.
- Wolfgang Delseit: 'Heinrich Lersch', in: Bernd Kortländer (Hrsg.): 'Literatur von nebenan (1900-1945). 60 Portraits von Autoren aus dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen', 1995, ISBN 3-89528-113-1, 432 Seiten, geb.
- Hans Eiserlo: 'Heinrich Lersch. Ein Dichter des schaffenden Volkes', Würzburg-Aumühle: K. Triltsch 1938, 124 S.
- Fritz Hüser (Hrsg.): 'Heinrich Lersch. Kesselschmied und Dichter 1889-1936', Städtische Volksbüchereien Dortmund 1959, Broschur, 41 S., 1 Abbildung
- Fritz-Hüser-Institut für Deutsche und Ausländische Arbeiterliteratur (Hrsg.): 'Verzeichnis der Archivbestände zu den Arbeiterdichtern Paul Zech (1881-1946), Gerrit Engelke (1890-1918) und Max Barthel (1893-1975) sowie Übersicht über den Nachlass von Heinrich Lersch und Katalog zur Ausstellung 'Arbeiterdichter zu Krieg und Arbeitswelt', Dortmund: Das Institut 1984, 60 S.
- Edgar Lersch: 'Heinrich Lersch - Kesselschmied und "Arbeiterdichter" aus Mönchengladbach (1889-1936), Manuskript zu einem Vortrag v. 7. Januar 2004 in ???, 25 S.
- Hans Hermann Schulz: 'Das Volkstumserlebnis des Arbeiters in der Dichtung von Gerrit Engelke, Heinrich Lersch und Karl Bröger. Ein Beitrag zur Morphologie des Problems', Bd. 5 der Reihe: Franz Koch (Hrsg.): 'Stadion. Arbeiten aus dem Germanistischen Seminar der Universität Berlin, Würzburg: Triltsch 1940, 51. S.
- Anton Simons: Vom Kesselschmied zum Arbeiterdichter. Der Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf erinnert an Heinrich Lersch (1889 - 1936), in: Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2006
- Claus Weber: Heinrich Lersch. Dichter und Arbeiter, Freiburg i.Br.: Schmied 1936, 64 S.
- Günter Haffke: Heinrich Lersch (1889-1936), katholischer Arbeiterdichter, rheinische-geschichte.lvr.de
- Günter Haffke: Heinrich Lersch und Bodendorf, in: Martin Lersch (Hrsg.): Schreiben – Freunde – Familie. Heinrich Lersch 1889-1936, Pagina Verlag, Goch 2014, S. 101-123, ISBN 978-3944146461
- Günter Haffke: Heinrich Lersch und Bodendorf, in: Die Dorfschelle, 2014, 4, Seite 6-7
- Johann H. Meyer: Zum Gedenken an Heinrich Lersch, in: Kurnotizen - Bad Bodendorf 1976, 4, S. 7-9
- Heinrich Lersch 1889 – 1936 über Bodendorf, in: Kurnotizen - Bad Bodendorf 1977, 1, S. 6