Jugendstilhaus Niederhutstraße 61 (Ahrweiler)

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Als jüdisches Symbol werden unten auf dem vorspringenden Erker des Hauses die Opfersteine des Abraham/Isaak dargestellt.
Bauzeichnung von 1906
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Kleiderbügel Busch.jpg

Das Jugendstilhaus Niederhutstraße 61 (Ahrweiler), das seit November 2022 Optik Eberle beherbergt, ist seit vielen Jahrzehnten im Kreis Ahrweiler als das Wilhelm-Busch-Haus bekannt. Eine Verbindung zum Schöpfer von Max und Moritz, der Frommen Helene und dem Unglücksraben Hans Huckebein gibt es jedoch nicht; vielmehr wird der Vorname „Wilhelm“ in der Ahrweiler Familie Busch von Generation zu Generation weitergegeben. Das Haus ist ein reizvoller Kontrapunkt zur mittelalterlichen Gesamtkulisse des Stadtkerns von Ahrweiler. Der Erbauer „wollte ein Domizil schaffen, mit dem er jedem Käufer und Besucher den Eindruck vermitteln konnte, dass sie ein Geschäft betraten, das so modern war wie die angebotenen Kleidungsstücke.“[1]


Standort

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Eigentümer

Wilhelm Busch jun.

Vorgänger:

Geschäfte

Textilgeschäft Heymann (1907-1938)

Bekleidungshaus Wilhelm Busch (1938 - 31. Dezember 2009)

Teppichgalerie im Hause Wilhelm Busch (Ahrweiler) (ca. 2006-2013)

Architektur

Das Haus hat vier Geschosse – je zwei für das Kaufhaus und für Wohnzwecke. Das Gebäude hat rechts einen turmartigen Teil. Die dadurch entstehende Asymmetrie, ein Stilmerkmal des Jugenstils, verleiht der Fassade eine gestalterische Spannung. Ein zweigeschossiger Erker bildet den Mittelpunkt der Fassade.

Aber das Haus Busch trägt auch Elemente des Heimatstils, beispielsweise in Form des Fachwerks im Giebel.[2] Auf der Website stuck-und-dielen.de heißt es: „Gebäude im Heimatstil sind im Stil der regional üblichen Dorf- und Kleinstadtarchitektur gebaut, haben aber nie eine landwirtschaftliche Funktion.“ Außerdem kann man dort lesen:

Das Wappen im Tympanon über der Eingangstür zum Treppenhaus unten rechts erinnert an das Wappen der preußischen Rheinprovinz. Das preußische Wappen zeigt allerdings oben noch den Preußischen Adler. Das Original besteht aus einem schrägen von links nach rechts abfallenden silbernen Wellenbalken, der den Rhein symbolisieren soll, im grünen Feld.

Chronik[3]

Der jüdische Kaufmann Joseph Heymann erbte von seinem Vater ein Textilgeschäft, das ab 1862 im Familienbesitz war. Zu diesem Erbe gehörten seit 1876 Grundstück und Geschäftshaus an der Niederhutstraße 61. Joseph Heymann, ein sehr erfolgreicher Kaufmann, war im Jahr 1907/08 der größte Steuerzahler von Ahrweiler. Am 20. Juni 1906 setzte er das Bürgermeisteramt von Ahrweiler davon in Kenntnis, dass er sein an der Niederhutstraße stehendes Geschäftshaus nebst Anbau abbrechen und seiner Stelle ein neues Haus bauen werde, um mehr Platz für Geschäft und Familie zu schaffen. Zwei Tage zuvor war bereits der Bauantrag des Bonner Architekten Carl Eder eingereicht worden.

Der Bauplan, der diesem Antrag beigelegt worden war, machte deutlich, dass ein 12 Meter hoher Neubau mit Erdgeschoss, erster und zweiter Etage sowie Dachgeschoss geplant war. In der Raumaufteilung sollte sich das Haus demnach nicht von den Nachbarhäusern unterscheiden. Die Gestaltung der Fassade aber sollte etwa völlig Neues für den mittelalterlich geprägten Stadtkern von Ahrweiler bedeuten: das erste Gebäude im Jugendstil, dessen Anliegen es war, dem Leben mehr Schönheit und Stil zu verleihen und dem Ornamentalen, Vegetabilen und Floralen den Vorzug vor geraden Linien und rechten Winkeln zu geben. So sind in der Fassade Halbrosetten, stilisierte Halme und Girlanden zu sehen.

Auf der Gebäude-Rückseite fällt ein Fenster mit Jugendstil-Elementen auf, das sich durchgehend über die gesamte Breite der Verkaufsräume im Parterre und im Erdgeschoss sowie über beide Etagen erstreckt.

„Gerade weil es im Jahr 1906 für diese Stilrichtung nur in den westlichen Hauptstädten Europas Beispiele gab, ist es umso beachtlicher, dass in der von der Tradition bestimmten Stadt Ahrweiler ein Bauherr den Mut aufbrachte, den beauftragten Architekten diesen neuen Weg gehen zu lassen“, schrieb Hans Warnecke in einem Beitrag im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler für das Jahr 2000. „Hier hatte Joseph Heymann das Selbstbewusstsein, sich als wohlhabender Bürger zu erkennen zu geben, der nicht nur Geschmack, sondern auch Vermögen genug besaß, um diesen neuen Stil zu realisieren“, schrieb Warnecke weiter. Die nach außen hin erkennbare Verwendung von Buntglas und Metall, von Farben, Dekor, Gliederung und Proportion, von schwellenden und ineinander verknoteten Bändern lasse die Fassade bis heute als Jugendstilgebäude in Reinform erscheinen. Die von Franz Ulrich im Jahr 1986 vorgenommene farbliche Neugestaltung der Fassade unterstreiche diesen Charakter noch. Die Restaurierung schien auch der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler als derart gelungen, dass sie dem Haus im Jahr der Renovierung den ersten Preis in einem Fassadenwettbewerb zuerkannte.

Das im Jahr 1900 in Brüssel fertig gewordene Hotel Solvay von Paul Hankar habe Carl Eder „ganz ohne Zweifel das Vorbild für seinen Entwurf“ geliefert, vermutet Warnecke. Auch in der Niederhutstraße 61 gelte, was über Paul Hankar, den belgischen Mitgründer der Jugendstilarchitektur, gesagt wird: „Er vereint zweckmäßig-klare Gliederung mit schmückenden Art-nouveau-Formen, die dem Bau Rhythmus und Leben geben.“ Mit seinem Architekten Eder und dem Ahrweiler Maurermeister Braun habe Joseph Heymann ein Bauwerk geschaffen, mit dem er „jedem Käufer und Besucher den Eindruck vermitteln konnte, dass sie ein Geschäft betraten, das so modern war wie die angebotenen Kleidungsstücke.“ Im Juni 1907 reichte Heymann den Bauantrag für einen hinter dem Haus geplanten Anbau eines Wirtschaftsgebäudes mit Toiletten ein. Denn sanitäre Anlagen wurden zu dieser Zeit noch längst nicht in alle Neubauten integriert.

Der Heimatstil war ein Nachfolger des Jugendstils und koexistierte von etwa 1910 bis in die frühen 50er Jahre des 20. Jahrhunderts mit Bauhaus und Art Deco. Im Gegensatz zu den beiden genannten Architekturstilen war der Heimatstil aber keine völlige Abkehr vom Jugendstil, sondern dessen logische Weiterentwicklung. Der Jugendstil war als Antwort auf die Entfremdung des Menschen von der Natur gedacht, die die Industrialisierung mit sich brachte. Der Heimatstil gestaltete die Wohngebäude nun nicht mehr so, dass ihr Charakter als Gebäude durch florale Ornamente getarnt wurde. „Zurück zur Natur“ hieß nun Rückgriff auf die überlieferten ländlichen Bautraditionen. Die Gebäude wurden so gestaltet, dass sie dem ländlichen Baustil in der Region ähnelten. Neben der Erinnerung an die naturverbundene Lebensweise haben die Gebäude immer auch einen regionalen Bezug.[4]

Als jüdisches Symbol werden unten auf dem vorspringenden Erker des Hauses die Opfersteine des Abraham/Isaak dargestellt. Wegen ihrer Freundlichkeit und Kompetenz erfreuten sich die Eheleute Heymann trotz ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Minderheit der Wertschätzung der Einwohner von Ahrweiler. Ihr Sohn Moses wurde im Ersten Weltkrieg an der französischen Westfront ausgezeichnet und zum Leutnant befördert. Nachdem er am 7. Juni 1930 verstorben war, führte seine Witwe Meta Heymann das Geschäft zunächst alleine weiter. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung am am 30. Januar 1933 begann aber auch in Ahrweiler die antijüdische nationalsozialistische Propaganda. Nach einem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933 hatte Meta Heymann den Mut, die Uniform ihres verstorbenen Mannes ins Schaufenster zu stellen. Damit wollte sie zeigen, dass an ihrer deutschen Gesinnung nicht zu zweifeln sei. Doch die Propaganda zeigte Wirkung: Nur einen Monat später wurde Meta Heymann bei einer Sitzung des „Vaterländischen Frauenvereins vom Roten Kreuz“ aus diesem Verein, dem sie ab 1925 angehört hatte, ausgeschlossen. Weil sich die Lage für die im Deutschen Reich lebenden Juden immer weiter verschlechterte, entschloss sich Meta Heymann zum Verkauf ihres Wohn- und Geschäftshauses. Nach mühsamer Käufersuche unterzeichnete Wilhelm Busch sen. am 23. März 1938 den Kaufvertrag mit ihr. Er wollte in dem Gebäude an der Niederhutstraße 61 ein eigenes Textilgeschäft aufbauen. Hans Warnecke weist in seinem Aufsatz darauf hin, dass dieser Eigentümerwechsel besonderer Erwähnung bedürfe. Denn ein Jahr später, nachdem das Gesetz über „die Entjudung der Städte und Dörfer im deutschen Reich“ erlassen worden war, wäre ein solcher privatrechtlicher Vertrag nicht mehr möglich gewesen. So aber konnte Meta Heymann noch vor Kriegsbeginn mit dem Verkaufserlös nach Jerusalem auswandern.

Der Heimatverein „Alt-Ahrweiler“ e. V. brachte im Jahr 2008 eine Infotafel mit dem folgenden Text von Hans-Georg Klein an dem Gebäude an:

Dieses beachtliche Jugendstilhaus wurde 1906 durch den jüdischen Kaufmann Joseph Heymann nach dem Entwurf des Architekten Carl Eder erbaut. Viergeschossig mit einem rechten, turmartigen Teil, der durch seine Asymmetrie dem Haus seinen Reiz verleiht. Die vegetabilen und floralen Formen dieses Jugendstilhauses stellen einen reizvollen Kontrapunkt innerhalb der mittelalterlichen Kulisse Ahrweilers dar.

Das 1938 gegründete Bekleidungshaus Wilhelm Busch schloss am 31. Dezember 2009. Anschließend befand sich in dem Jugendstilhaus die Teppichgalerie im Hause Wilhelm Busch.

Im Frühjahr 2018 wird das Haus von einem Immobilien-Makler als Büro genutzt und wird zum Kauf angeboten.

Siehe auch

Portal „Zeugnisse jüdischen Lebens im Kreis Ahrweiler“

Weblink

Wikipedia: Jugendstil

Fußnoten

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