Versenkung des Raddampfers „Goethe“ am 3. März 1945 vor Oberwinter

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Die „Goethe“ nach dem Bombenangriff
Aus dieser Luftaufnahme von Ende März 1945 geht die genaue Lage der versenkten „Goethe“ hervor, die sich ziemlich genau in der Bildmitte befindet.
Der Raddampfer „Goethe“ im Jahr seines Stapellaufs 1913
Raddampfer Goethe 2.jpg

Die Versenkung des Raddampfers „Goethe“ am 3. März 1945 an einem Schiffsanleger in Oberwinter war der folgenreichste Luftangriff, den der Hafenort im Zweiten Weltkrieg erlebte. Die Attacke galt dem in Oberwinter stationierten Köln-Düsseldorfer-Dampfer „Goethe“, auf dem hunderte russische Kriegsgefangene untergebracht waren. Beim Tiefflieger-Angriff am Nachmittag waren die meisten Gefangenen aber bei einem Arbeitseinsatz an Land. Dennoch kamen bei diesem Angriff 12 Gefangene um. Anfang der 1950er Jahre wurde der 1913 gebaute Raddampfer wieder in Stand gesetzt. Nach mehrmaligem Umbau ist er noch heute als letzter und einziger Schaufelraddampfer auf dem Rhein im Einsatz. Seit dem 28. August 1996, dem 247. Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe, dem Namensgeber des Schiffs, verkehrt er als Nostalgie-Dampfer auf dem Rhein.


Unglücksort

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Chronik

Am 3. März 1945 erlebte Oberwinter den folgenreichsten Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs. Die Attacke galt dem vor Oberwinter ankernden Schaufelraddampfer „Goethe“, auf dem zu dieser Zeit hunderte russische Kriegsgefangene untergebracht waren. Ende 1944 war in dem Hafenort nämlich eine Wehrmachtstruppe stationiert worden, die Verteidigungseinrichtungen errichten sollte. Für die dazu notwendigen schweren körperlichen Arbeiten sind dabei russische Gefangenen eingesetzt worden. Von SA-Männern bewacht, rückten sie täglich aus, um im Oberwinterer und im Unkelbacher Wald Schützengräben auszuheben und an Straßen und Wegen Panzersperren zu bauen. Am späten Nachmittag kehrten sie zu der 1913 gebauten und 1925 zum Doppeldecksalonschiff umgebauten „Goethe“ zurück, auf dem sie übernachteten. Ute Metternich berichtete in einem Facebook-Posting:

Die Zwangsarbeiter von der Goethe, die in Unkelbach Schützengräben ausheben mussten, wurden zu bestimmten Zeiten von ihren Bewachern auf die Toiletten unterhalb der Mädchenschule geführt. Sie müssen so elend und halb verhungert gewesen sein, dass die Lehrerin häufig von oben trockenes Brot hinuntergeworfen hat.[1]

Die „Goethe“ hatte zunächst an der Einfahrt in den Oberwinterer Hafen gelegen. Ab Spätherbst 1944 lag sie dann einen Kilometer stromaufwärts vor Anker, etwa ihn Höhe des Rastplatzes „Siegengebirgsblick“ und des Rheinpegels Oberwinter. Denn man hoffte, dass das im März 1941 mit blaugrauer Tarnfarbe gestrichene Schiff dort hinter der Steilmauer an der heutigen B 9 von den meist aus westlicher Richtung anfliegenden alliierten Flugzeugen nicht entdeckt würde.

Der ganz in der Nähe wohnende damals neunjährige Horst Eckertz erinnerte sich in einem Artikel für das Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 2005, dass er täglich beobachten konnte, wie die Gefangenen in zerlumpter Kleidung zu ihren Arbeitsplätzen ausmarschierten und spätnachmittags über den Rastplatz wieder zu ihrer Schiffsunterkunft zogen.

Seit Tagen schon waren in Oberwinter die Donner der Artilleriegeschütze der zurückweichenden deutschen Einheiten und der anrückenden amerikanischen Truppen zu hören. Nachts dröhnten die Motoren britischer Bomberverbände, die, aus hunderten von Flugzeugen bestehend, in großer Höhe Ziele im Osten anflogen. Tagsüber verbreiteten amerikanische Flieger Angst und Schrecken unter der Bevölkerung, wenn sie unvermittelt auftauchten, Einzelbomben abwarfen oder mit ihren Bordwaffen auf Menschen schossen.

Am 29. Juli 1942, fast drei Jahre zuvor, war die „Goethe“ zum ersten Mal von feindlichen Flugzeugen attackiert worden. Zu dieser Zeit diente sie noch als Ausflugsdampfer. Kurz bevor die talwärts fahrende „Goethe“ die Koblenzer Schiffsbrücke passieren wollte, explodierten in unmittelbarer Nähe zwei Sprengbomben. Durch die Druckwelle wurden 21 der 600 Fahrgäste verletzt. Tote gab es damals nicht. Der hintere steuerbordseitige Schiffsboden ist eingedrückt worden und schlug leck. Außerdem war das Ruder beschädigt. Nach der Reparatur auf der Kölner Werft von Ewald Berninghaus wurde der Dampfer erst ab 11. Juni 1943 wieder eingesetzt. Ab September 1944 hatte die Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG in Wesseling das Schiff als Unterkunft für die in ihrem Werk verpflichteten Zwangsarbeiter eingesetzt. Nachdem der Betrieb des Hydrierwerks nach mehreren schweren Bombenangriffen nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, übernahm die NSDAP-Kreisleitung Ahrweiler die „Goethe“ als Wohnschiff mit Liegeplatz in Oberwinter und quartierte auf dem Schiff mehrere Hundert sowjetische Zwangsarbeiter ein.

Am Morgen des 3. März 1945 konnten die Einwohner von Oberwinter hören und sehen, wie das gegenüberliegende Rheinbreitbach bombardiert wurde. Deshalb suchten sie in Luftschutzkellern Schutz. Am frühen Nachmittag dann warnte die Sirene in Oberwinter vor akuter Luftgefahr. Dieses Warnsignal, das erst in den letzten Kriegswochen eingeführt worden war, bestand aus zweimaligem kurzen Aufheulen der Sirene, und es bedeutete, dass ein Luftangriff unmittelbar bevorstand oder bereits im Gange war. Augenblicke nach dem Warnsignal rasten zwei Flugzeuge im Sturzflug auf Oberwinter zu. Dann waren in den Kellern heftige Detonationen zu hören. Bei diesem nur wenige Minuten dauernden Angriff wurde die „Goethe“ getroffen.

Nach Angaben von Helmut Schnatz aus Koblenz, Mitglied einer Historikerkommission, die von 2004 bis 2009 sämtliche verfügbaren Quellen zu den Opferzahlen der Luftangriffe auf Dresden auswertete, ist die „Goethe“ von der 404th Fighter Group der US-Airforce im Rahmen eines Einsatzes zur sogenannten Bewaffneten Aufklärung mit sieben einsitzigen Kampfflugzeugen vom Typ P-47-Thunderbolt angegriffen worden. Im Einsatzbericht heißt es, es seien u.a. ein Dampfschiff, weitere Boote sowie Hafenanlagen angegriffen worden. Ein Dampfer wird als vernichtet aufgezählt. Bei dem Einsatz wurden eingesetzt: 13 mal 227-Kg-Sprengomben (227 kg), vier 127-Kg-Splitterbomben und vier ungelenkte Luft-Boden-Raketen.

Ein Bombenvolltreffer hatte das gesamte Achterschiff der „Goethe“ zerstört. Deshalb lag das Schiff schief im Wasser. Verletzte schrien und Oberwinterer eilten herbei, um ihnen zu helfen. Die Habseligkeiten der Gefangenen - Decken und Kleidungsstücke - lagen in der Uferböschung verstreut umher oder trieben auf dem Rhein davon. Die meisten der russischen Gefangenen waren zum Zeitpunkt des Angriffes allerdings nicht auf dem Schiff, sondern auswärts bei der Arbeit. Die zwölf Gefangenen jedoch, die sich an Bord befanden, wurden getötet. Nur von einem Kriegsgefangenen ist der Name dokumentiert: Daniel Krawecz. 13. Todesopfer war der nicht in Remagen registrierte Maschinist der „Goethe“.

Ihre Leichen sind am nächsten Morgen von den Gemeindearbeitern von Oberwinter aus den Schiffstrümmern geborgen und auf Bahren zu einem Handwagen getragen worden, der auf dem Rastplatz stand. Von dort wurden die Toten zum Oberwinterer Friedhof transportiert und dort bestattet. Da hatte sich die SA-Mannschaft längst mit den übrigen Zwangsarbeitern auf dem ebenfalls in Oberwinter liegenden, aber unbeschädigt gebliebenen Schiff „Westmark“ ans gegenüberliegende Rheinufer nach Unkel abgesetzt. Damit sie nicht den Feinden in die Hände fiel, versenkten sie die „Westmark“ dort nach der Überfahrt.

Nur wenige Tage nach dem Angriff auf die „Goethe“ rückten die Amerikaner in Oberwinter ein. Nach Kriegsende dienten die Reste des ehemaligen Ausflugsdampfers den Kindern des Hafendorts als Spielplatz. Taucher bargen später aus dem Schiffsrumpf Porzellan, Bestecke und Steinkohle. Eisen- und Holzteile des Schiffes fanden in den Mangeljahren vielfache Verwendung. Der in Oberwinter wohnende Fährmann Peter Wüst, dessen Boot im Hafen versenkt worden war, nutzte das Wrack der „Goethe als Ersatzteillager, das ihm dazu diente, sein Fährboot, die „Isolde“, zu reparieren. Mike Schneider berichtete in einem Facebook-Posting vom März 2020: „Mein Opa hatte sich damals ein Stück des Holz Boden aus dem Schiff geborgen und dient uns heute noch als Arbeitsplatte.“ Und Ute Metternich bestätigte:

Nach Aussagen eines alten Oberwinterers ist die Goethe damals stark von der Bevölkerung geplündert worden. Ein Oberwinterer Firmenbesitzer fuhr am helllichten Tag mit dem Lkw vor und hat den Hotelherd ausgebaut, den er dann an ein Rolandsecker Hotel verkauft hat. Die Bevölkerung hat sich vor allem die Kohlen geholt. Schließlich hat der Bürgermeister den Gemeindediener mit der Schelle losgeschickt und hat jedes weitere Betreten verbieten lassen.[2]

Im April 1949 wurden Vorder- und Mittelschiff sowie die Kessel- und Maschinenanlage gehoben und von der Reederei nach Düsseldorf. Ein Nutzer mit dem Pseudonym „Pwe Re“ schrieb im März 2020 auf Facebook:

Ich kann mich noch erinnern als die Goethe da lag und wie sie gehoben wurde. Dafür sind aus Koblenz ein mächtiger Schwimmkran „TITAN“ und Taucher gekommen. Den Kran habe ich noch in der Schule gemalt.[3]

Lediglich das zerstörte Hinterschiff verblieb in Oberwinter. Es wurde erst 1952 gehoben und vor Ort verschrottet.

Die russischen Kriegsgefangenen, die bei dem Angriff in Oberwinter ums Leben gekommen waren, sind am 21. April 1950 exhumiert und nach Koblenz-Karthause umgebettet worden.

Um das Jahr 2000 wurde der Rastplatz „Siebengebirgsblick“ saniert. Der damalige Remagener Bürgermeister Herbert Georgi gab am Sonntag, 18. Mai 2003, den neu gestalteten Rastplatz „Siegengebirgsblick“ zwischen Bundesstraße 9 und Rheinpegel Oberwinter zur Nutzung frei. Initiator der Neugestaltung war der Verkehrs- und Verschönerungsverein Oberwinter-Rolandseck e.V. (VVOR). Zusammen mit dem VVOR-Vorsitzenden Horst Eckertz enthüllte Georgi bei gleicher Gelegenheit auf dem Rastplatz eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Todesopfer, die die Versenkung der „Goethe“ einst forderte. Die Gedenktafel war von der Diwo Natursteine GmbH Remagen angefertigt worden. Folgender Text ist auf dem Gedenkstein zu lesen:[4]

Am 3. März 1945 wurde der unterhalb dieses Ratsplatzes ankernde Rheindampfer „Goethe“ durch amerikanische Tiefflieger versenkt. Er diente in den letzten Monaten des 2. Weltkrieges russischen Kriegsgefangenen, die zum Bau von Verteidigungsanlagen in Oberwinter eingesetzt waren, als Notunterkunft. Glücklicherweise befanden sich zum Zeitpunkt des Angriffes die meisten Gefangenen im Arbeitseinsatz. Aber 20 Russen, die an Bord waren, fanden den Tod und sie haben ihre letzte Ruhestätte auf dem hiesigen Friedhof gefunden. Die „Goethe“ wurde 1949 gehoben und fährt noch heute als letzter Köln-Düsseldorfer Raddampfer auf dem Rhein.

Die „Goethe“ ist nach mehrmaligem Umbau noch heute auf dem Rhein im Einsatz - als letzter und einziger Schaufelraddampfer.

Mediografie

Weblinks

Fußnoten

  1. Quelle: Facebook-Postings vom 3. März 2020 und den folgenden Tagen
  2. Quelle: Facebook-Postings vom 3. März 2020 und den folgenden Tagen, Text leicht bearbeitet
  3. Quelle: Facebook-Postings vom 3. März 2020 und den folgenden Tagen, Text leicht bearbeitet
  4. Quellen: Jutta Plewa: Was lange währte, wird nun endlich gut – VVOR ließ den Rastplatz "Siebengebirgsblick" zwischen Oberwinterer Pegelhäuschen und Beginn des Hafendamms neu gestalten - Historische Stätte, in: Rhein-Zeitung vom 15. Januar 2003, Platz fürs Erinnern mit Blick auf das Siebengebirge, in: Rhein-Zeitung vom 19. Mai 2003, Rastplatz eingeweiht und Chronik vorgestellt, rundschau-online.de vom 19. Mai 2003, und Rhein-Zeitung vom 21. Mai 2017
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